Der Ahrner Bittgang nach Ehrenburg: Ein Zeugnis tiefster Tradition
Der "Ahrner Bittgang nach Ehrenburg", oft auch schlicht als "Ehrenburger Kreuzgang" oder "Ehrenburger Bittgang" bekannt, ist eine tief verwurzelte und wahrhaft einzigartige Tradition, die das Ahrntal in Südtirol seit Jahrhunderten prägt. Es ist weit mehr als nur ein religiöses Ereignis; es ist ein lebendiges Zeugnis von Glauben, Gemeinschaft und einem beeindruckenden kulturellen Erbe.
Die lange Nacht der Wallfahrer
Jedes Jahr, in der Nacht von Freitag nach Christi Himmelfahrt, versammeln sich Männer und Burschen des Ahrntals, um sich auf eine außergewöhnliche und kräftezehrende Wallfahrt zu begeben. Ihr Ziel ist die Kornmutter in Ehrenburg, einem Ortsteil von Kiens im Pustertal. Die Strecke ist beeindruckend: 106 Kilometer legen die Pilger zu Fuß zurück, um ihre tiefe Verbundenheit mit der Tradition und ihren Glauben auszudrücken.
Gebet, Gesang und ein legendäres Kreuz
Angeführt wird die Prozession von einem besonderen Symbol: dem legendären, durchschossenen Kreuz von Hl. Geist in Kasern. Um dieses Kreuz ranken sich alte Sagen, die seine mystische Bedeutung noch verstärken. Während der gesamten Wanderung ist der Bittgang von intensivem Gebet und Gesang erfüllt, was eine besondere, andächtige Atmosphäre schafft. Unterwegs halten die Wallfahrer in den Kirchen der verschiedenen Dörfer des Ahrntals Andachten ab. An diesen Punkten schließen sich oft weitere Gläubige der Prozession an, um gemeinsam einen Teil des Weges zu gehen.
Ein Bekenntnis zu Ernte und Schutz
Der primäre Zweck dieser jahrhundertealten Pilgerreise ist eine tiefe Bitte: Die Pilger ersuchen traditionell um eine reiche Ernte für die kommende Saison und um Schutz vor Naturkatastrophen, die das Leben und die Existenz in den alpinen Regionen bedrohen können. Diese Bitten spiegeln die enge Verbundenheit der Ahrntaler mit ihrer bäuerlichen Tradition und der Abhängigkeit von den Launen der Natur wider.
Ankunft und Heimkehr
Am Abend des ersten Tages erreichen die Wallfahrer ihr Ziel in Ehrenburg. Nach einer kurzen Rast und weiteren Gebeten treten sie bereits frühmorgens am nächsten Tag den langen Heimweg zurück nach Prettau an. Diese Rückkehr, oft mit müden Gliedern, aber gestärktem Glauben, schließt den Bittgang ab.
Der Ahrner Bittgang nach Ehrenburg ist somit nicht nur ein intensives religiöses Erlebnis, sondern auch ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie altes Brauchtum und kulturelles Erbe im Ahrntal bis heute lebendig sind und die Geschichte und den Charakter des Tales maßgeblich prägen. Er ist ein starkes Symbol für die Beständigkeit der Traditionen in einer sich wandelnden Welt.